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Kursrückblick: ganzheitliche Pferdegesundheit mit Dr. Tomas Teskey

Ich gestehe: ich bin ein Wissens-Junkie. Ich kann einfach nicht genug Wissen aufsaugen – egal ob Bücher, Online-Kurse oder Offline-Seminare; ich verschlinge zahlreiche davon jährlich und dementsprechend kann mich nichts mehr so schnell vom Hocker hauen. Aber das Wochenende mit Dr. Tomas Teskey hat es geschafft: es hat mich gleichermaßen berührt, inspiriert und befeuert. Ich weiß nicht, wann sich zuletzt bei mir so viele Synapsen geschlossen und „Aha“-Momente eingestellt haben (naja, eigentlich schon: als ich über Intrinzen gestolpert bin – aber das ist bereits verdammt lange her!). 🤯
Warum? Das versuche ich selbst noch genauer zu analysieren:

Von Kopf bis Huf

Inhaltlich hat sich das Seminar um die beiden großen Themen Hufe und Zähne gedreht. Und um alles dazwischen, sowie alles „drumherum“. Alles hängt im Pferdekörper zusammen (z.B. über myofasziale Strukturen, also Muskel- und Faszien-„Ketten“), beeinflusst sich gegenseitig und wird von äußeren Faktoren beeinflusst. Wie bei uns Menschen eben auch!

Im Humanbereich hat sich bereits ziemlich gut herum gesprochen, dass das Umfeld das Individuum prägt und beeinflusst – positiv wie negativ. Im Tierbereich (und insbesondere im Pferdebereich) sind wir leider noch nicht ganz so weit. Einerseits wird von vielen Pferdemenschen erwartet, dass ihr Pferd immer gleich „funktioniert“, unabhängig von der Haltung bzw. seinen aktuellen Lebensumständen. Hier werden die äußeren Umstände also vielfach unterschätzt. Andererseits wird von Pferde-Dienstleistern (Tierärzten, Hufbearbeitern, Trainern, Physiotherapeuten etc.) erwartet, dass sie auftretende Probleme alleine in ihrem Wirkungsfeld lösen können, und zwar am besten innerhalb eines einzelnen Termins. Hier werden die äußeren Einflussmöglichkeiten also massiv überschätzt! 🤨

Und genau hier versucht Tomas Teskey zu sensibilisieren: ganzheitliche Pferdegesundheit heißt, die Basics richtig zu machen, und zwar in allen Aspekten des Pferdelebens. Diese hat er in folgende Grundpfeiler zusammengefasst:

  • Ernährung (Gras-Diät)
  • Herdenpsychologie (Pferde-Freunde sowie freundlicher und respektvoller Umgang durch Menschen)
  • Haltung (Platzangebot und Bewegung)
  • professionelle Hufbearbeitung (ggf. mit Hufschuhen)
  • funktionale Zahnbehandlung

Tomas nennt diese auch „primary issues“, also quasi Primär-Themen, auf die wir uns (bzw. auch er als Tierarzt) fokussieren sollten. Wenn wir diese Bereiche optimieren und pferdegerecht umsetzen, werden „secondary issues“ (sekundäre Themen/Folgeprobleme) wie Lahmheiten, Koliken, Verhaltensprobleme etc. von alleine verschwinden.

Hufbearbeitung à la Tomas Teskey

Als Hufbearbeiterin hat mich natürlich besonders das Thema Hufbearbeitung interessiert. Tomas Teskey legt hier besonderes Augenmerk auf die gute Entwicklung des Weichteilgewebes, also von Strahl, Strahl- und Ballenpolster. Diese Strukturen dienen nicht nur als so enorm wichtiger „Polster“ im Huf, sondern dort befinden sich auch sehr viele Nervenenden. Das Pferd kann damit also nicht nur seinen Huf, sondern vor allem auch seine Umgebung ertasten.

Einen weiteren Schwerpunkt bei der Hufbearbeitung legt Tomas auf die Optimierung der Durchblutung. Denn: die Durchblutung im Huf ist nicht nur für die Nährstoffversorgung und das Wachstum des Hufs enorm wichtig, sondern auch für die Stoßabsorption beim Auffußen. Er stützt sich hier auf die Forschungsergebnisse von Dr. Robert Bowker, demnach das Blut im Huf als hydraulischer Stoßdämpfer dient, insbesondere auf hartem Boden. Dazu hat die Natur eine Art „Rückschlagventil“ in den Huf eingebaut: bei Belastung wird das Strahlbein gegen das Hufbein gedrückt, wodurch es die dort durchlaufenden Arterien größtenteils abklemmt. Auf diese Art und Weise wird das Blut im Moment der größten Belastung im Huf behalten und fungiert als hydraulischer Dämpfer. 😮

Diesen faszinierenden Mechanismus konnten wir bei den anschließend sezierten Kadaverhufen nachstellen:

Für mich definitiv eines der größten Wow-Momente des Seminars – obwohl ich den Mechanismus natürlich aus der Theorie kannte, so ist es doch etwas ganz anderes, das Ganze in Natura zu sehen. Ich habe dazu auch ein kurzes Video auf YouTube hochgeladen: https://youtu.be/Y_plT6aaTkE

Aber natürlich haben wir uns nicht nur theoretischen oder toten Studienobjekten gewidmet. Beim praktischen Teil hat mir hat vor allem die Herangehensweise von Tomas sehr gut gefallen. Die eigentliche Hufbearbeitung ist bei ihm nur ein Teil des gesamten „Service-Termins“, viel mehr geht es (mal wieder) um die Einbeziehung der Gesamtsituation. Manuelle Lösungstechniken für Verspannungen, Berücksichtigung der Haltungsbedingungen, Evaluierung der Gesamtkonstitution inkl. Zähne des Pferdes sowie Dokumentation der eigenen Arbeit. Zu guter Hufbearbeitung gehört eben so viel mehr, als bloße Beherrschung des Werkzeugs. ☝

Crash-Kurs für Zahngesundheit

Zugegeben, ich habe mich bis dato nicht viel mit der pferdigen Zahngesundheit auseinandergesetzt. Ja, meine Pferde erhalten eine halb-/jährliche Zahnüberprüfung (und meist auch -korrektur) durch eine exzellente equine Dental-Spezialistin und wir hatten auch schon das eine oder andere Erlebnis mit gebrochenen Zähnen, speziellen Füllungen, EORTH, Zahn-Klinikaufenthalt udgl.; und trotzdem habe ich mich bis jetzt nie wirklich damit beschäftigt in dem Sinne, dass ich mir selbst Zähne meiner (Kunden-)Pferde angesehen, sie in Kontext zum restlichen Individuum gesetzt oder mir eine eigene Meinung dazu gebildet hätte. Mir fehlt(e) auch schlicht das Wissen dazu und es hat mich ehrlicherweise auch nicht so sehr interessiert.

Aber das hat sich an diesem Wochenende schlagartig geändert! Ich fühlte mich wie in einem meiner ersten Hufkurse: plötzlich tut sich eine komplett neue Welt auf. Eine, die für jedes Pferd essentiell ist. Schließlich beeinflussen die Zähne nicht nur, ob und wie das Pferd Nahrung zu sich nimmt. Die Zahnstellung beeinflusst nämlich auch maßgeblich die Kieferstellung und diese wiederum wirkt sich auf den gesamten Pferdekörper aus. Rückblickend erscheint es mir sehr verrückt, dass ich diesem Zusammenhang bisher so wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe. 🙊

Umgekehrt können die Zähne aber ebenso durch den restlichen Pferdekörper, z. B. die Hufe, beeinflusst werden! Wobei dann manchmal die Frage ist: was war zuerst da? Die schiefen Hufe, der schiefe Kiefer oder die Schiefe im restlichen Pferdekörper? Gemäß Tomas Teskey beginnen die meisten Probleme in den Füßen des Pferdes und arbeiten sich schließlich ihren Weg „nach oben“ bzw. zum Kopf. Gerade dieser Aspekt ist für mich als Hufbearbeiterin natürlich extrem spannend! Und verdeutlicht zugleich, wie wichtig es ist, bei gesundheitlichen Problemen als Team zu arbeiten. Nur wenn mehrere Spezialisten und der Pferdebesitzer zusammenarbeiten, kann eine nachhaltige Besserung für das Pferd erwirkt werden. Es genügt nicht, an nur einer einzelnen Stellschraube zu drehen.

Zahnbearbeitung à la Tomas Teskey

Auch beim Thema Zahngesundheit kam die Praxis bei diesem Seminar nicht zu kurz und unterschied sich deutlich von dem, was ich bisher von den Zahn-Spezialisten in Österreich gewohnt war. Bei Tomas Teskey sah ich zum ersten Mal den Einsatz von manuellen Zahnraspeln anstatt von elektrisch betriebenen Maschinen. Die Behandlung erfolgte unter Sedierung und war extrem schnell – und das, obwohl die Pferde sehr häufige Pausen machen durften und das Maulgatter entriegelt wurde, so dass sie den Kiefer wieder entspannen konnten.

Allgemein war Tomas eine entspannte Grundstimmung sehr wichtig. Er zeigte den Pferden schon vor der Sedierung die Instrumente und steckte sie spielerisch ins Maul, so dass die Pferde sich an die ungewohnten Objekte gewöhnen konnten und nicht nachher in Sedierung überrascht wurden. Auch animierte Tomas die Pferde am Ende zum Kopfschütteln und Kauen. Dadurch sollten die Pferde ihre „neuen“ Zähne ausprobieren und etwaige alten Muster in der Kieferhaltung ablegen.

Ganzheitliche Pferdegesundheit

Abgesehen von den beiden großen Themenblöcken „Hufe“ und „Zähne“, wurden an diesem Wochenende aber noch zahlreiche weitere Bereiche von Tomas Teskey beleuchtet. Von Haltungsideen, Kräutern und Fütterung, Impfungen, Stallmanagement, Rehabilitation, Reiten, Zäumungen und Pferd-Mensch-Beziehung war alles dabei. Denn, wie Tomas stets betonte: alles steht in Wechselwirkung zueinander. Keines dieser Themen kann isoliert betrachtet werden.

Und alle diese Themen haben noch eine weitere Auswirkung: das Verhalten des Pferdes. Sowohl innerartlich – also innerhalb einer Pferdeherde –, als auch interspezifisch gegenüber uns Menschen. Tomas vertritt hier genau meine Meinung, dass verhaltensbezogene Herausforderungen fast immer einen physischen Grund bzw. ihren Ursprung in der (unpassenden) Umwelt des Pferdes haben. Kein Pferd ist grundlos bissig, grantig, faul, zickig oder hibbelig. Wenn sich Pferde widersetzen, haben sie einen Grund. Und dann bringt es nichts, das Problem zu kaschieren, sondern man muss die Ursache(n) abstellen. Auch wenn das manchmal gravierende Änderungen bedeutet, z. B. einen Stallwechsel.

Zurück zur Natur

Wie schon erwähnt, ist Tomas ein großer Freund davon, die grundlegenden Bedürfnisse der Pferde zu perfektionieren, wodurch gesundheitliche Probleme entweder erst gar nicht entstehen, oder beseitigt werden können. Aber nicht nur das: wenn wir die Haltung (also: Fütterung – Bewegung – Herde) optimieren (= pferdegerecht gestalten), ersparen wir uns nicht nur Probleme, sondern auch Zeit und Geld für alle möglichen Behandlungen. Beispielsweise wären viele Zahnkorrekturen nicht nötig, wenn die Pferde ihre Schneidezähne im Alltag mehr abnützen würden. Oder Hufbearbeitungen könnten entfallen, wenn Pferde mehr „self trim“ betreiben würden. Darunter versteht man, dass sich Pferde ihre Hufe quasi selbst korrekt abnützen, weil sie genügend Bewegung auf huffreundlichen Böden haben. Damit bestätigt Tomas genau das, was ich auch in meinen Hufkursen vermittle: Hufbearbeitung ist fast immer eine Kompensation für suboptimale Haltungs- und Fütterungsbedingungen.

Dr. Tomas Teskey, der etwas andere Tierarzt

Das Seminar hat mich aber nicht nur aufgrund der Inhalte so fasziniert, sondern auch wegen Tomas Art und Weise, die Inhalte an uns Teilnehmer zu transportieren.

Tomas bezeichnet sich selbst als „vete­ri­na­ry philo­so­pher“ und trefflicher kann man es einfach nicht beschreiben. Obwohl er stets konkrete Aussagen trifft, bringt er in viele Themen schon fast philosophische Aspekte mit ein. Manch einer verwechselt diese vielleicht mit esoterischen Betrachtungen, aber das sind sie ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Tomas Teskey ist ein durch und durch wissenschaftlich orientierter Tierarzt.

Er hat während der Studienzeit selbst in Laboren geforscht, führt über seine Kunden akribisch genaue Aufzeichnungen, um daraus statistische Auswertungen ziehen zu können und ist stets auf dem aktuellsten Stand der Studienlage beispielsweise hinsichtlich Hufrehe. Außerdem hinterfragt er sich und seine Praktiken laufend selbst, ist enorm interessiert an Austausch mit klugen Köpfen auf der ganzen Welt und erfreut sich an produktiven Diskussionen. Mehrmals hat Tomas an diesem Wochenende die Teilnehmer nach ihren Erfahrungen gefragt: sei es zum Einsatz bestimmter Kräuter, Mittel zur Hufpilzbekämpfung oder Hufbearbeitungstechniken.

Mehr zu Tomas Teskey (und seinem Buch „Insight to Equus“) erfahrt ihr auf seiner Website: www.insighttoequus.com

Fazit zum Seminar mit Dr. Tomas Teskey

Tja, was soll ich sagen…ich bin noch immer begeistert. 😉
Auch wenn mir viele Inhalte (v.a. in Bezug auf Hufe) eigentlich nicht neu waren, so hat Tomas sie für mich trotzdem nochmal aus neuen Blickwinkeln beleuchtet und in neuen Kontext gesetzt. Und in Summe war es einfach wow. Ich bin überzeugt, wenn wir das Seminar wiederholen, werde ich für mich trotzdem wieder Neues daraus mitnehmen.

Und, natürlich ganz ganz wichtig: die Kurs-Location war einfach optimal. Der wunderschöne Michaelihof hat das perfekte Ambiente für das Seminar geschaffen, die dortigen Araber waren die idealen Kurs-Pferde und die Verpflegung war einfach unübertrefflich lecker. 😋

Kurzum: ich freue mich auf eine Wiederholung!

2 comments

  1. Sophie Hausberger says:

    Danke Nathalie, dass du dieses Seminar-Wochenende initiiert hast.
    Es war in jeglicher Hinsicht gelungen und ich freu mich dabei gewesen zu sein. Daher meine Empfehlung an insbesondere alle, die dieses Mal nicht dabei waren.

    Lieben Gruß
    Sophie

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