Die „richtige“ Entwurmung ist in der Pferdewelt ein „heißes Eisen“. Als ich vor über 20 Jahren mein erstes eigenes Pferd bekommen habe, hatte ich noch nie etwas von „Entwurmung“ gehört. Etwas später tat ich dann, was jeder damals im Reitstall tat: 2x jährlich entwurmen. Mit irgendeinem Präparat, das der Stallbetreiber organisierte. Irgendwann geriet ich dann an eine Tierärztin, die frisch von einer Fortbildung kam und von „selektiver Entwurmung“ erzählte und nach anfänglicher Skepsis (Dieser Aufwand! Und die Kosten! Hat ja bisher auch super geklappt, warum also umstellen?!) war ich schließlich doch überzeugt. Man wird schließlich schlauer im Leben!
Und seitdem wir auf unseren eigenen Ponyhof gezogen sind, handhaben wir die Wurm-Thematik bei den Pferden gemäß der „zeitgemäßen selektiven Entwurmung“, kurz ZSE. Da sich darum aber sehr viele Mythen ranken und Halbwissen oder gar Schauermärchen ranken, habe ich „Wurm-Profi“ Mag.med.vet. Karin Schmid vom Kotlabor Schmid um Beantwortung von häufigen Fragen und Aufklärung von Irrtümern gebeten. Vielen, vielen Dank für die ausführlichen und gut erklärten Informationen! Hier sind sie:
Was ist die ZSE und warum wurde sie „erfunden“?
Die ZSE ist eine Weiterentwicklung der selektiven Entwurmung, welche sich nur gegen Strongyliden richtet. Bei der ZSE kontrollieren wir nicht nur die kleinen Strongyliden, sondern auch Spulwürmer und Bandwürmer. Wir machen regelmäßig Larvenanzuchten, um zu verhindern, dass sich große Strongyliden wieder verbreiten und wir beraten ausführlich bezüglich Oxyuris equi und Magendasseln.

Entwickelt wurde die ZSE, weil Resistenzen gegenüber Anthelminika (Entwurmungsmittel) immer mehr zunehmen.
Grundprinzip ist, dass Pferde eine unterschiedliche Menge an Wurmeiern ausscheiden. Wenn die sogenannten Hochausscheider behandelt werden und die Niedrigausscheider nicht, dann werden die infektiösen Stadien in der Umgebung laufend weniger und somit auch die nötigen Behandlungen. D.h. wir verringern somit die Infektionen.
In Österreich ist es sehr verbreitet, dass nur 2x jährlich entwurmt wird. Bei Jungpferden (unter 4 Jahren) ist das ein absolutes No Go, aber auch für ca. 25% der erwachsenen Pferde ist das zu wenig und für die restlichen 75% zu viel.
Können über die ZSE alle Wurmarten erfasst und eliminiert werden?
Jein, die relevanten Würmer wie kleine und große Strongyliden und Spulwürmer können mit Kotproben detektiert werden.
Bei Bandwurm ist die Nachweissicherheit in den Kotproben geringer. D.h. hier ist eine gewisse Anzahl an Proben erforderlich, um Bandwurmeier zu finden. Wenn die Voraussetzungen nicht gegeben sind, wird der Bestand zur Sicherheit einmal jährlich gegen Bandwurm behandelt.

Seit einigen Jahren gibt es aber auch einen Speicheltest, mit dem man Bandwurm-Antikörper nachweisen kann. Damit ist eine Diagnostik des Einzelpferdes möglich.
Oxyuren werden nicht in der Probe gefunden, da diese die Eier nicht im Darm, sondern am After ablegen. Oxyuren sind aber nicht gefährlich und werden mit einer blinden Entwurmung meist unzureichend erfasst, da sie häufig Resistenzen aufweisen. Die Diagnostik erfolgt durch den Pferdebesitzer selbst durch Sichtung der Würmer oder Eiablagen. Mit ein Grund, warum uns eine gute Aufklärung der Kunden wichtig ist.
Wenn eine aktuelle negative Probe vorliegt, aber eine Wurmausscheidung gesichtet wird, handelt es sich in den meisten Fällen um diese Wurmart.
Macht die ZSE für einzelne Pferde Sinn, wenn der restliche Bestand „konventionell“ entwurmt wird?
Ja, auch hier macht es Sinn. Man kann jedoch nicht alle Vorteile der ZSE ausschöpfen. So sind bei Einzelpferden immer Bandwurmbehandlungen bzw. Speicheltest nötig und die Verringerung des Infektionsdruckes ist immer nur so gut wie die Behandlung der restlichen Pferde.
Wenn die anderen Pferde regelmäßig strategisch (4x/Jahr) behandelt werden, bilden sich möglicherweise Resistenzen, welche ohne Proben meist unerkannt bleiben oder die anderen Pferde werden zu wenig behandelt und somit bleibt der Infektionsdruck beständig hoch oder steigt im schlimmsten Fall sogar.
Gibt es bei den Kotlaboren Unterschiede? Ich habe eine Kotprobe von meinem Tierarzt untersuchen lassen und er meinte, dass die genaue Eianzahl egal ist.
Ja natürlich gibt es hier Unterschiede. In einer normalen Pferdepraxis ist eine Kotprobe eigentlich kaum wirtschaftlich durchführbar und das Hauptaugenmerk liegt eher in kurativer Tätigkeit. Somit werden oftmals lediglich Flotationen durchgeführt, welche für das Pferd eigentlich nicht ausreichend ist.
Proben ohne Eizählung werden üblicherweise in geringgradig, mittelgradig und hochgradig eingeteilt. Diese Einteilung ist sehr subjektiv und massiv abhängig von der Erfahrung des Untersuchers. Nur eine Eizählung ist objektiv. Bei einer Eizählung liegt das Ergebnis natürlich einer gewissen Schwankung (vergleichbar mit einer Meßtoleranz), aber grundsätzlich bekommt man hier immer das selbe Ergebnis, auch wenn 10 verschiedene Menschen die Probe untersuchen.

Nur mit einer Eizählung können Resistenzen wirklich diagnositiziert werden. Dazu wird nämlich die Eizahl vor und nach der Behandlung bestimmt.
Ich habe gehört, dass ein ZSE-behandeltes Pferd trotzdem massiv verwurmt sein und dadurch eine Kolik bekommen kann, stimmt das?
Nein, das stimmt nicht. Dies sind Schauermärchen, welche immer wieder verbreitet werden und es ist ja nicht so, dass teilnehmende Pferde nie entwurmt werden. Gerade zu Beginn sind meist Behandlungen der Pferde nötig. Nach einiger Zeit hat man meistens nur mehr wenige Pferde, welche eine Behandlung benötigen. Wenn kaum Eier ausgeschieden werden, sind aber auch kaum mehr infektiöse Larven in der Umgebung und somit geht auch die Gefahr einer larvalen Cyathostominose gegen Null. Voraussetzung ist natürlich, dass man sich an die Empfehlungen hält. Kotproben müssen konsequent durchgeführt werden, die Termine sollten eingehalten werden und bei Änderungen sollte man sich mit dem Labor absprechen.
Die ZSE basiert auf wissenschaftlichen Studien. Eine der grundlegendsten wurde z.B. mit über 1000 Pferden durchgeführt (siehe https://edoc.ub.uni-muenchen.de/15441/).
Viel eher ist zu befürchten, dass durch blinde Entwurmungen die Resistenzen immer mehr werden. Vor ca. 15 Jahren wurden vereinzelt Hinweise auf Resistenzbildung bei Moxidectin (der „neueste“ Wirkstoff) in der Literatur beschrieben. Mittlerweile sehen wir diese Hinweise regelmäßig in unseren Proben.
Wenn die Resistenzbildung fortschreitet haben wir wirklich ein Problem.

Blinde Entwurmungen sind auch bei Jungpferden ein Problem. Bei Jungpferden sind nämlich Spulwürmer ein Thema, welche v.a. im 1. Lebensjahr auch tödlich enden können.
Die Wurmpasten haben in der Fachinformation zwar alle Spulwürmer (Parascaris equorum und P. univalenis) angeführt, aber in der Praxis finden wir hier viele Resistenzen. Der eine Wirkstoff wirkt gut gegen Strongyliden, aber kaum gegen Spulwürmer und umgekehrt, somit ist die Kenntnis über die Wurmart gegen welche behandelt werden muss, sowie eine Wirksamkeitsprobe eigentlich unabdingbar. Die „eierlegende Wollmilchsau“ unter den Entwurmungen existiert schlicht nicht. So passiert es immer wieder, dass wir Proben von Jungpferden bekommen, welche regelmäßig behandelt wurden, aber trotzdem sehr viele Spulwurm-Eier ausscheiden, weil schlicht und einfach Resistenzen gegen den verwendeten Wirkstoff vorliegen.
Ich habe gehört, dass Bandwurm nicht im Kot nachgewiesen werden kann und daher ohnehin mind. 1x im Jahr entwurmt werden muss, stimmt das?
Wir zuvor bereits beschrieben, ist die Nachweissicherheit abhängig von der Kotprobenzahl eines Stalles. Im Zweifelsfall raten wir zur jährlichen Behandlung oder zur Ergänzung der Diagnostik mittels Equisal®-Speicheltest.
Ich habe gehört, dass ich mir den Aufwand ersparen kann, indem ich einfach natürlich mit Hagebutten entwurme – das soll genauso effektiv und viel weniger belastend für den Organismus sein, stimmt das?
Wir bekommen immer wieder Proben von „natürlich behandelten“ Pferden. Dabei konnten wir noch nie eine Wirksamkeit feststellen. Wenn ein Pferd keiner Behandlung bedarf, dann liegt es meist daran, dass entweder im Stall generell eine gute Hygiene herrscht, weil die Koppel regelmäßig abgemistet wird oder weil das Pferd zu den 75% der Geringausscheidern gehört.
Über Mag.med.vet. Karin Schmid
> Tierärztin seit 2009 (mobile Pferdepraxis, Schwerpunkt Homöopathie und Huforthopädie)
> seit 2014 ZSE (Kotlabor Schmid)
> Okt. 2021 Ende der Pferdepraxis und Konzentration auf das Kotlabor
> seit 2023 ist das Labor durch die AG.ZE zertifiziert
Meine persönlichen Erfahrungen
Wie eingangs erwähnt, setze ich bei meinen eigenen Pferden zuhause am Ponyhof ebenfalls seit einigen Jahren die ZSE ein und bin mehr als zufrieden. Meine Berber-Stute Nelly habe ich damals 2-jährig geholt und sie war total verwurmt (obwohl von der Züchterin 4x jährlich entwurmt!) und auch dafür setzt die ZSE spezifische Empfehlungen ein, die von jenen für erwachsene Pferde abweichen. Ganz wichtig: falls eine Entwurmung nötig ist (wie bei meiner jungen Dame damals), unbedingt nachher eine Wirkstoffprobe machen. Ergebnis bei Nelly damals: ein Wirkstoff war nicht mehr wirksam, d.h. die „blinden“ Entwurmungen davor bei der Züchterin waren „für’n Hugo“. Absolut unnötige Belastung für Pferd, Umwelt und Geldbeutel.
Wir hatten dazwischen ja auch Miramis, die ältere Haflo-Araber-Stute, in unserer Herde mit dabei, und sie war ebenfalls total verwurmt. Aber auch hier hat das Kotlabor Schmid individuelle Handlungsempfehlungen abgegeben und so hatten wir sie mittels ZSE in kürzester Zeit „wurmfrei“. Das ist ja das Tolle daran: es wird wirklich individuell auf das Pferd und den gesamten Bestand geschaut. Es heißt nicht, dass nie entwurmt wird, sondern eben selektiv. Ich würde es nie wieder anders machen.
Als Abschluss zeige ich euch hier unseren letzten Befund (inkl. Handlungsempfehlung) als Beispiel für das Ergebnis der ZSE. Aktuell ist keine Entwurmung nötig und der Abstand zur nächsten Probe ist bei uns deshalb so groß, da wir seit Jahren konsequent die ZSE umsetzen und dadurch mittlerweile einen sehr niedrigen Infektionsdruck haben. Es zahlt sich also definitiv aus!
