Ich bin ein Bücherwurm 🐛. Ich lese sehr viele Bücher. Manche Bücher haben mein bisheriges Wissen vertieft, andere verbreitert, aber nur wenige haben mir wirklich neue Blickwinkel eröffnet. Dieses Buch hingegen gehört zu diesen besonderen Ausnahmen und deshalb möchte ich es dir heute vorstellen ✨
Allgemeines zum Buch „Selbstbewusste Pferde“
Meine Rezension bezieht sich auf die gebundene überarbeitete Auflage, die von Imke Spilker geschrieben und 2006 im animal learn Verlag veröffentlich wurde. Du kannst genau diese Version von „Selbstbewusste Pferde“ hier bei Amazon kaufen*.
Das Buch trägt den Untertitel „Wie Pferde ihre eigenen Übungen und Lektionen entwickeln“ und deutet damit schon auf den Inhalt hin: kurz gesagt geht es darum, den Pferden die Kontrolle über ihren Körper und ihr Training zu übergeben und sie so zu stolzen und – dem Titel entsprechend – selbstbewussten Tieren zu machen 🦄
Dabei stehen die Pferde im Mittelpunkt des Buches. Die Pferde sind quasi die Protagonisten und übernehmen auch immer wieder die Erzählperspektive. Das heißt, das Buch ist gespickt mit Blickwinkeln der Pferde; Imke Spilker erzählt im Vorwort, dass es genau so überhaupt erst zu diesem Buch gekommen ist: indem sie versucht hat, sich in ihre Pferde hineinzuversetzen und ihre Perspektive einzunehmen.
Inhalt
Der Inhalt des Buches dreht sich einerseits darum, das Lebewesen Pferd und seine Bedürfnisse besser zu verstehen. Diese Grundlagen werden im weiteren Verlauf des Buchs dazu verwendet, eine freundschaftliche Beziehung zum Partner Pferd aufzubauen 💞. Dabei geht Imke Spilker ausführlich auf die Themen „gemeinsames Spiel“, „Partnerschaft“ und „Transformation“ ein.
Das gesamte Buch ist gespickt mit Anekdoten und konkreten Situationsbeschreibungen, sowie teilweise direkter Anrede des Lesers. Dadurch fühlte ich mich beim Lesen irgendwie „mitten drinnen“ und konnte die Ausführungen gut nachvollziehen.
Imke Spilker legt dabei auch sehr gekonnt immer wieder den Finger in die Wunde. Mit erstaunlicher Leichtigkeit zeigt sie die „dunkle Seite“ von konventionellem Pferdetraining auf, die viele Pferdemenschen sehr gerne ausblenden. Sie hält dabei manchmal sehr unverblümt den Spiegel vor, ohne dabei allerdings ungut oder anklagend zu wirken. Die Wahrheit ist eben zumutbar 🤗
Das Buch umfasst auch Ausführungen zum physischen Aspekt des Pferdetrainings, zu Biegung, Versammlung und Aufrichtung. Allerdings schwingt auch hierbei überall der psychische Aspekt mit: was bedeutet das für das Pferd, wann zeigt es solche Bewegungen natürlich und wie beeinflusst sich das gegenseitig?
Rezension
Das Buch „Selbstbewusste Pferde“ lässt sich schwer kategorisieren. Eigentlich ist es ein Sachbuch, da es um Pferdetraining geht. Es ist aber auch ein Ratgeber, da sich alles um Beziehung und gegenseitiges Verständnis dreht. In gewisser Weise ist es aber auch eine Mischung aus Erzählung und Autobiografie, da uns Imke Spilker darin Einblicke in ihren Weg und die Entwicklung der vorgestellten Pferde über mehrere Jahre hinweg gibt. Du siehst bereits: das Buch ist anders als die meisten Pferdebücher 😉
Dadurch fand ich es phasenweise aber schwer zu lesen, weil ich manchmal das Gefühl hatte, dass der „rote Faden“ fehlt. Zwar ergeben die Inhalte allesamt Sinn, die Gedanken sind nachvollziehbar und gut verständlich, aber man muss selbst in der Lage sein, sich das „Große und Ganze“ zu bilden. Quasi die einzelnen Ideen zu einem konkreten Konzept zusammenzufügen.
Die Autorin betont dies auch selbst an mehreren Stellen, trotzdem ist es dem Leser vor dem Kauf des Buches möglicherweise so nicht bewusst.
Dieses Buch ist keine „how to“-Anleitung
Allgemein ist dies etwas, das sich durch das gesamte Buch zieht: es verlangt dem Leser eigenes Denken ab. Das finde ich persönlich sehr positiv und war für mich eine unerwartete, aber erfrischende Abwechslung. Für manche Leser ist das aber eventuell nicht ganz so positiv. Du darfst dir keine konkrete Anleitung oder Problemlösung erwarten 🧐
Imke Spilker zeigt vielmehr Hintergründe auf (beispielsweise: wie nehmen Pferde ihre Umwelt wahr und was bedeutet eigentlich die heutige Pferdehaltung für diese Spezies?) und animiert den Leser, einen Perspektivenwechsel durchzuführen. Wie stellt sich eine konkrete Situation (z.B. Spazieren gehen oder geritten werden) für das Pferd dar?
Diese Gedankenspiele werden immer wieder durch „Pferdegedanken“ unterstrichen, sprich Textpassagen, in denen den Pferden Interpretationen der Situation in den Mund gelegt wird. Hier ein Beispiel der Beschreibung einer Spiel-Situation zwischen Waltraud (Mensch) und Kim (Pferd):
So hüpft sie [Waltraut, Anm.] enthusiastisch durch den Sand, springt immer wieder in die Luft. Kim [der Wallach, Anm.] begleitet sie. Er ist über die Sprünge zuerst etwas verdutzt und weiß nicht so recht, wie er auf diese Bewegungen eingehen soll. „So ein wilder Rhythmus ist mir ja noch nie untergekommen! Was mache ich denn damit“, scheint Kim sich zu fragen und beobachtet sie einige Zeit.
(aus: Imke Spilker, „Selbstbewusste Pferde“, animal learn Verlag)
Diese Perspektivenwechsel machen es einfacher, die geschilderten Situationen zu verstehen und zu reflektieren, wie sich unsere Handlungen für Pferde darstellen könnten. Aus wissenschaftlicher Sicht halte ich diese Herangehensweise jedoch teilweise für problematisch. Denn: dem Leser wird so automatisch eine Interpretation der Pferdewahrnehmung nahegelegt. Insbesondere Emotionen sind hierbei aber äußerst anfällig für subjektive Interpretationen der Autorin.
Das bedeutet: auch hier bist du als Leser gefordert, dir deine eigenen Gedanken zu machen und alternative Interpretationen in Betracht zu ziehen 🤓
Aufmachung
Diese Ausgabe des Buches ist äußerst liebevoll gestaltet. Das gesamte Layout ist übersichtlich und lädt zum Lesen ein. Jedes Kapitel ist mit einer Vielzahl an Fotos untermalt und insbesonders die zahlreichen Foto-Sequenzen von bestimmten Situationen machen es einfach, den dargelegten Gedanken zu folgen. Die Bilder bieten zudem eine sehr gute Möglichkeit, die geschilderten Situationen mit eigenen Augen zu betrachten und eigene Schlüsse daraus zu ziehen.
Und, was ich an den Fotos ebenfalls angenehm finde: sie sind aus dem Leben gegriffen. Es sind keine modernen super-fancy-high-glossy-Werbebilder, sondern es sind authentische Situationsaufnahmen aus dem Ende des vorigen Jahrtausends. Ja, der Anblick ist gewöhnungsbedürftig 😄 aber der Inhalt ist aktueller denn je.
Schreibstil und Gliederung
Das Buch „Selbstbewusste Pferde“ ist in insgesamt sechs Kapitel gegliedert, wobei der Hauptteil des Buches „fließend“ ist. Zumindest waren die Kapitel-Grenzen für mich während des Lesens nicht wirklich wahrnehmbar. Ich hatte das Gefühl, dass auch innerhalb eines Kapitels sehr viele Gedankensprünge vorherrschten und mehrere Themen gleichzeitig behandelt werden. Das mag aber auch daran liegen, dass die Themen der einzelnen Kapitel eng miteinander verknüpft sind: „Das gemeinsame Spiel“, „Zusammenarbeit“ und „Starke Freunde“ beispielsweise.
Was mir besonders gut gefällt, ist die Einleitung inkl. den ersten Kapiteln. Darin stellt Imke Spilker sehr gut nachvollziehbar das Lebewesen Pferd und seine natürlichen Ansprüche dar. Sie führt ebenso aus, warum Pferdetraining nicht nur am Reitplatz stattfindet, sondern immer. Genau das sind meiner Meinung nach Aspekte, die in vielen anderen Pferdetrainingsbüchern fehlen. Dabei halte ich genau die aber für sooooo wichtig ☝
Insgesamt finde ich die Schreibweise sehr angenehm zu lesen. Es werden keine langwierigen Satzkonstrukte verwendet, sondern jeder Satz ist klar verständlich. Trotzdem eignet sich das Buch meiner Meinung nach nicht, um es zügig durchzulesen. Denn aufgrund der zuvor genannten Gedankensprünge und Perspektivenwechsel ist es manchmal gut, das Buch immer wieder weg zu legen und die Inhalte wirken zu lassen. Außerdem helfen diese Pausen, eigene Gedanken zu entwickeln, da die Themen eben nicht als „Anleitung to go“ aufbereitet sind, sondern vielmehr Denkanstöße und Ideen liefern 💡
Fazit
Mein persönliches Fazit dieses Buches ist: absolut lesenswert! Ich fand es wirklich spannend, Imke Spilker und ihre Pferde quasi „begleiten“ zu können. Das Buch hat für mich außerdem eine wohltuende Abwechslung zum gewohnten Einheitsbrei geboten, da es den Leser zum eigenen Denken animiert und eben nicht eine einzige Vorgehensweise vorgibt. Genau das ist aber auch der Punkt, der das Buch sicher nicht uneingeschränkt für jeden empfehlenswert macht. Wer ein konkretes Problem hat und dafür Lösungen sucht, ist mit dieser Lektüre leider falsch beraten.
Ebenso muss ich zur Einschränkung meiner Kaufempfehlung sagen, dass ich das Buch zum goldrichtigen Zeitpunkt gelesen habe: kurz nachdem ich mit Intrinzen (www.intrinzen.horse) begonnen hatte.
Erstaunlich viele der Ansätze von Imke Spilker decken sich nämlich mit der Intrinzen-Philosophie 😃! Angefangen bei der Motivation über das gemeinsame Spiel und positive Verstärkung, sowie beim Thema Autonomie und dem Training mittels eines – für das Pferd nachvollziehbaren – Ziels. Gemeinsam ist auch der elementare Grundgedanke: das Pferd als Pferd zu sehen. Das heißt, ihm seine Würde und seinen eigenen Willen zu lassen und es zu einem stolzen und selbstbestimmten Wesen aufzubauen. Und genau diese Philosophie hat mir auf meinen Weg zu meinen Pferden als Partner verholfen.
Hätte ich das Buch jedoch ein paar Jahre früher gelesen, als ich selbst noch nicht wirklich im „Umbruch“ war, sondern noch klassische Dressur mit „normaler“ negativer Verstärkung praktiziert habe, dann hätte ich mit den Inhalten wahrscheinlich weit weniger anfangen können. Ich hätte ganz einfach viele Ideen noch nicht verstanden.
Ist das Buch richtig für dich?
👉 Wenn du Inspirationen zu friedvollem Pferdetraining suchst, eine echte Partnerschaft mit deinem Pferd haben möchtest und bereit bist dir eigene Gedanken zu machen: dann JA! Insbesondere dann, wenn du am Anfang dieses herausfordernden Weges stehst, vielleicht über ein paar Probleme gestolpert bist und daher gerade ein paar aufbauende Geschichten brauchen kannst. Dann schnapp‘ dir dieses außergewöhnliche Buch (z.B. die beschriebene Ausgabe von „Selbstbewusste Pferde“ hier auf Amazon*), schmeiße dich auf die Couch und tauche ein in eine neue Welt des Miteinanders mit Pferden 🦄
Viel Spaß beim Lesen!
👉 Wenn du hingegen nach konkreten Lösungen für ein spezifisches Problem oder sofort anwendbaren Schritt-für-Schritt-Anleitungen suchst: dann NEIN! In diesem Fall ist das Buch für dich sicherlich eine Enttäuschung und du bist mit anderer Lektüre (oder Online-Kursen?) besser beraten.
Hast du das Buch vielleicht schon gelesen? Dann würde ich mich über dein Feedback in Form eines Kommentars freuen!
Vielleicht hast du eine andere Meinung als ich dazu und kannst damit anderen Lesern helfen, eine fundierte Entscheidung zu treffen 📖